Wer nicht regelt, der wird irgendwann geregelt. Das erlebt dieser Tage die Union, die es all die Jahre verschlafen hat, eine dringend notwenige Wahlrechtreform auf den Weg zu bringen. Die notorische Lethargie der ewigen Regierungsparteien rächt sich jetzt, da sich die politischen Vorzeichen geändert haben und die Ampel-Parteien keinerlei Rücksicht auf CDU und CSU nehmen müssen.

Der Bundestag ist zu groß

Denn es besteht in der Tat dringend Handlungsbedarf. Seit Jahren wächst der Bundestag von seiner vorgesehen Regelgröße von 598 Mandaten auf nunmehr satte 736 Mandate in dieser Wahlperiode. Die Vertretung unserer repräsentativen Demokratie, der Bundestag, ist immens, der Vergleich zu Chinas Volkskongress fällt hierbei häufiger.

Es ist auch zu bezweifeln, dass die Arbeit unseres Parlaments durch mehr Abgeordnete besser wird. Die Abstimmungswege sind heute aufwendiger, Entscheidungsprozesse werden immer länger und damit immer schwieriger. Und Kompromisse sind nur noch der kleinste gemeinsamer Nenner in einem sehr vielstimmigen Chor. Viel Quantität und schlechte Qualität zu einem höheren Preis sind die Folge.

Das Parlament beschäftigt sich mit sich selbst

Mehr Abgeordnete führen zu einer größeren gesetzgeberischen Regulierungswut. Rund 32.000 Drucksachen wurden im Bundestag in der letzten Wahlperiode beackertet. Ein Rekordwert, der zeigt, dass man sich viel mit sich selbst beschäftigt. Denn die schiere Anzahl führt weg vom Wesentlichen, raubt den Abgeordneten Zeit und zehrt an den personellen Kräften.

Die Verkleinerung des Bundestages ist daher folgerichtig, muss sich aber im Rahmen unserer parlamentarischen Gegebenheiten abspielen. Und hier irren die Ampel-Parteien. Allen voran die FDP.

Vorschlag der Ampel führt das Grundgesetz ad absurdum

Unser Grundgesetz regelt die Wahlrechtsgrundsätze: Die Wahl ist allgemein, unmittelbar, frei, gleich und geheim. Gleiches Wahlrecht bedeutet, dass jedem Wähler eine Stimme zukommt und jede Stimme den gleichen Einfluss auf das Wahlresultat hat. Dadurch soll gewährleistet werden, dass das potenzielle Gewicht jeder Stimme dasselbe ist.

Der Vorschlag der Ampel-Parteien führt diesen Grundsatz jedoch ad absurdum. Gerade hart umkämpfte urbane Wahlkreise werden möglicherweise auf Jahre nicht mehr direkt durch einen Abgeordneten im Bundestag vertreten sein. Die Stimmen dieser Wähler fallen möglicherweise über mehrere Wahlperioden hinten runter.

Die Erwartungen an die Parlamentarier wachsen

Dabei wachsen die Erwartungen an unsere repräsentative Demokratie und deren Vertreter stetig. Gerade auch in den Wahlkreisen selbst. Der deutsche Mittelstand benötigt einen direkt gewählten Volksvertreter, da dieser bei Problemen ansprechbar ist und in Berlin für die Lage vor Ort sensibleren kann. Gerade während der ersten Corona-Welle waren es die Wahlkreisabgeordneten, die eine reibungslose Orchestrierung der Corona-Hilfen gewährleistet haben. Der kurze Dienstweg zu Ministern und Behördenleitern ist hierbei ausschlaggebend. Effizientes Regieren ist für das Wachstum und Wohlstand des Mittelstands extrem wichtig.

Ampel-Vorschlag torpediert die Integrität des Wahlsystems

Die derzeit hohe Integrität unseres Wahlsystems wird jedoch durch den Ampel-Vorschlag massiv torpediert. Dass Wahlkreis-Sieger möglicherweise nicht in den Bundestag einziehen dürfen, ist dem Bürger nicht vermittelbar. Vielmehr stellt der Gesetzentwurf der Ampel-Parteien einen in der Geschichte der Bundesrepublik beispiellosen Bruch mit dem System der personalisierten Verhältniswahl dar.