Die Digitalisierung schreitet in Deutschland endlich schnellen Schrittes voran. Missgunst, Neid und moralischer Zeigefinger werden verschiedenartig zügig digitalisiert. Es ist ein weiterer Schritt unserer aufgeklärten Bildungsgesellschaft gegenüber leise und schleichend ihre Freiheit sowie deren Eigenverantwortung zu entreißen. Wie das?
Dem Bürger werden aktuell diverse Portale an die Hand gegeben, um seine Mitbürger zu verpetzen - wenn er möchte. Eine neue Kultur der Bürgerbeteiligung ist begründet. Das birgt eine hochriskante Entwicklung in sich.
Die Entwicklung ist nicht neu
Seinen Ursprung hat diese Tendenz in Baden-Württemberg, wo man ein anonymes Hinweisportal „im Kampf für mehr Steuergerechtigkeit“ ins Leben rief. Gefördertes Denunziantentum benannte dies einst der damalige CSU-Generalsekretär Markus Blume und beschrieb die Lage damit eindrücklich.
Auch das schwarz-grüne Nordrhein-Westfalen wollte hier nicht hinten anstehen, wenn auch unter anderen Vorzeichen. Denn vor rund einem Jahr setzte sich dessen Regierung zum Ziel, den Aufbau eines „bundesweit einzigartigen Netzes in Form mehrerer Meldestellen“ in die Wege zu leiten, um eine tolerantere Gesellschaft zu forcieren.
Von diesem Netzwerk sollen auch Vorfälle „unterhalb der Strafbarkeitsgrenze analysiert und dokumentiert werden“, die nicht in den polizeilichen Statistiken auftauchen, ließ deren grünes Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration verlautbaren.
Bei genauerem Hinsehen wird deutlich, dass derartige Meldestellen auch zu einem Instrument der Diskurskontrolle umgewandelt werden können. Vor allem, wenn man bedenkt, dass die meisten dieser Meldestellen sehr aktivistisch und politisch einseitig organisiert sind. Sie haben oft eine klare grün-identitäre Agenda. Die Grenzen zwischen legitimer Meinungsäußerung und diskriminierenden oder gar hasserfüllten Äußerungen sind oft fließend.
Der Willkür öffnet man so Tür und Tor
Wenn die Bürger dieses Landes nun befürchten müssen, dass ihre Äußerungen von anderen an staatliche und vorstaatliche Stellen gemeldet werden und sie dann in einem Melderegister landen, so muss man das als hohe Hürde für die Meinungsfreiheit betrachten.
Will der Staat ernsthaft seine gewünschten Meinungsbilder durch Portale unterstützt und verbreitet wissen, um Misstrauen gegenüber unerwünschten Ansichten zu säen? Ein nicht hinnehmbarer Zustand in einem demokratischen System, das von der Meinungsvielfalt lebt.
Dabei ist doch häufig rechtlich insbesondere unklar, welche Äußerungen als diskriminierend oder hasserfüllt eingestuft werden und welche nicht. Denn es geht ja gerade um die Fälle, die rechtlich bisher nicht zu beanstanden waren. Der Willkür öffnet man so Tür und Tor.
In diesem Frühjahr hat nun auch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend aufgerüstet und betreibt die „Meldestelle Antifeminismus“. Bei diesem Meldeportal haben Frauen in Not allerdings nichts zu melden, wenn ihnen Gewalt und Gefährdung droht. Es geht nicht um die Aufdeckung von Straftaten gegenüber Frauen. Vielmehr kann bei diesem Petz-Portal auf Staatskosten diffamiert und denunziert werden, wenn sich jemand gegen das Gendern äußert.
Das Ministerium versucht damit, Kritik am links-identitären Feminismus als kriminelles Delikt darzustellen, obwohl Äußerungen gegen Sprachregelungen von der Meinungsfreiheit eindeutig erfasst sind.
Der Staat macht es vor, zivilgesellschaftliche Akteure fühlen sich nun ebenfalls berufen und bedienen sich der Methodik, um Interessen durchzusetzen.
Denunziantentum wird zur Heldentat
So müssen seit Jahresbeginn beispielsweise Gastronomiebetriebe eine Mehrweg-Option für Speisen und Getränke zum Mitnehmen anbieten. Einige Gastronomiebetriebe kommen ihrer Verpflichtung allerdings nur schleppend nach. Deswegen hat Greenpeace nun ein Meldeportal zum Petzen eröffnet, um Behörden bei ihren Überwachungsaufgaben „zu unterstützen“. Greenpeace ging sogar so weit und erklärte mögliche Blockwarte auf Twitter zu „Meldeheld:innen“.
Der Protest ließ nicht lange auf sich warten, doch Greenpeace zeigt sich davon unbehelligt. Der Vorgang zeigt symptomatisch, wie moralisch entrückt Teile dieses Landes bereits sind. Wenn das Denunziantentum breitbeinig zum Heldentum umgedeutet wird, sagt das viel über den Zustand unserer Gesellschaft.
Eine brandgefährliche Entwicklung
Eine derartige Entwicklung ist für unsere Demokratie brandgefährlich und unwürdig, wenn die invasive Diskurverengung und das Anschwärzen politischer Gegner verstärkt für die Durchsetzung gesellschaftspolitischer Ziele eingesetzt wird. So ist es dann auch nicht verwunderlich, dass laut „Freiheitsindex 2022“ des Allensbach-Instituts nur noch 48 Prozent der Deutschen der Meinung sind, man können hierzulande seine Meinung frei äußern. In einer freiheitlichen demokratischen Gesellschaft muss der offene Diskurs gelebt und darf nicht durch perfide denunziatorische Portale unterdrückt werden.
Bereits 2018 stellte die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Katarina Barley, gegenüber der FAZ mit Blick auf ein AfD-Meldeportal fest, dass eine „organisierte Denunziation“ ein „Mittel von Diktaturen“ sei. Wie Recht sie doch hat.
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